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Plötzlich diese Übersicht
18.1.2024

Soeben habe ich den viertausendsten Kilometer mit der Eisenbahn in China hinter mich gebracht. Das ist nicht viel, weil die Züge mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind. Die meiste Zeit davon habe ich aus dem Fenster geguckt und die Gedanken vorbei schweifen lassen wie die Landschaften und Städte.

Vermutlich stellen sich Eindrücke dieser flüchtigen Begegnung mit dem Land unmittelbar als Übersicht ein, und es schält sich etwas heraus, was man beschreiben kann.

Die Hochgeschwindigkeitsstrecken sind durch das Land geflochten. Die Dichte des Geflechts entspricht der Dichte der Besiedlung. Die Strecken sind so gebaut, dass ein minimaler Kurvenradius von vier Kilometern eine durchgehend hohe Geschwindigkeit zulässt. Sie sind aus wenig verschiedenen, standardisierten Teilen gefertigt. Damit ist Übersicht auf eine technische Art gewährleistet. Die Infrastruktur der Bahn ist ein Referenzmassstab, in geometrischer, aber auch in formaler Hinsicht.

Ist das Land unbesiedelt, wirkt es unberührt. Es gibt keine Forstwege oder andere Zeichen, die auf eine Nutzung schliessen lassen. In den Gegenden, durch die ich gefahren bin, entspricht unberührtes Land dichten, wuchernden Wäldern. Abschüssiges Terrain bleibt unberührt, an Hängen sieht man keine Häuser oder Äcker. Der Übergang zwischen genutztem oder bebautem Land und unberührtem Land ist scharf.

Besiedeltes Land kündet sich in den Wäldern an, wenn Stromleitungen oder Antennenmasten aus den Wipfeln auftauchen. Man fährt durch einen der zahlreichen Tunnels und kommt plötzlich zwischen Hochhäusern heraus.

Wenn das Land landschwirtschafltich genutzt wird, sind selbst kleinste Flächen in der Grösse einer Ar sorgfältig von Hand gepflegt. Äcker, die sich von grossen Maschinen pflegen liessen, habe ich kaum gesehen, dafür aber kleine Reisfelder, Obst- und Krautgärten. Die bewirtschaftete Landschaft hat eine gartenartige Lieblichkeit. In schweifenden Gedanken denkt man, ach, wie schön.

Dörfer. Die Farbigkeit der Häuser ist protestantisch. Materialfarben, Weiss-, Grau- und Beigetöne bei Fassaden, Grauschwarz bei Dächern bestimmen den Farbkanon.

Während bei uns das Land allmählich in Agglomeration übergeht, ist in China dieser Übergang zu harter industrieller Nutzung und riesigen Betonflächen, auf denen Kräne Hallen hochziehen, abrupt.

Wo sich der Mensch breit macht, tut er dies ohne wenn und aber, macht sich deutlich; Wo nicht, hält er sich zurück und bleibt klein.

So geht das.

Ein Krieg der Lügen
17.2.2024 Übersetzer X-Post von David Sacks

Der Krieg in der Ukraine basiert auf Lügen – Lügen darüber, wie er begann, wie er verläuft und wie er enden wird.

Man sagt uns, dass die Ukraine gewinnt, während sie in Wirklichkeit verliert.

Man sagt uns, dass der Krieg die NATO stärkt, während er sie in Wirklichkeit schwächt.

Man sagt uns, das grösste Problem der Ukraine seien die fehlenden Mittel des US-Kongresses, während der Westen in Wirklichkeit nicht genug Munition produzieren kann – ein Problem, dessen Lösung Jahre dauern wird.

Man sagt uns, dass Russland mehr Opfer zu beklagen hat, während der Ukraine in Wirklichkeit die Soldaten ausgehen – ein weiteres Problem, das sich mit Geld nicht lösen lässt.

Man sagt uns, die Welt sei auf ‚unserer' Seite, während die globale Mehrheit die Politik der USA für den Gipfel der Torheit hält.

Man sagt uns, dass es keine Möglichkeit gibt, Frieden zu schliessen, obwohl wir in der Tat mehrere Gelegenheiten für eine Verhandlungslösung abgelehnt haben.

Man sagt uns, dass die Ukraine ihre Verhandlungsposition verbessern wird, wenn sie weiter kämpft, während die Bedingungen in Wirklichkeit nur noch schlechter werden als das, was bereits angeboten und abgelehnt wurde.

Dennoch wird es den Lügen gelingen, den Krieg in die Länge zu ziehen.

Der US-Kongress wird mehr Mittel bewilligen. Russland wird weitere Gebiete einnehmen.

Die Ukraine wird mehr junge Männer und Frauen mobilisieren, um sie durch den Fleischwolf zu drehen.

Die Unzufriedenheit wird zunehmen. Schliesslich wird es in Kiew zu einer Krise kommen und die Selenski-Regierung wird gestürzt werden.

Und dann, wenn der Krieg endgültig verloren ist und das ganze Land in schwelenden Trümmern auf einem selbstgeschaffenen Scheiterhaufen liegt, werden die Lügner sagen: "Wir haben es mindestens versucht."

Nachdem sie jede Alternative verhindert haben, nachdem sie jeden, der die Wahrheit sagte, als Marionetten des Feindes verleumdet haben, werden die Lügner sagen: "Wir haben unser Bestes getan. Wir haben Putin die Stirn geboten."

In Wirklichkeit, so werden sie behaupten, wären wir erfolgreich gewesen, wenn nicht die fünfte Kolonne der Putin-Apologeten den Ukrainern in den Rücken gefallen wäre.

Dann, nachdem sie die Schuld abgewälzt und sich selbst auf die Schulter geklopft haben, werden sie zum nächsten Krieg übergehen, so wie sie nach ihren Desastern in Afghanistan und im Irak zur Ukraine übergegangen sind.

Die Lügen sind umfassend – aber sie werden funktionieren.

Hass ist Kitschpolitik
1.11.2023

Ein paar mühsame Überlegungen zur Weiterentwicklung der Neutralität

Der Krieg in Palästina birgt so viel Offensichtlichkeit in sich, dass er sich gut eignet, die folgenden Gedanken darzulegen, die aber genauso anhand anderer aktueller Konflikte gemacht werden können.

Aus zivilisatorischer Sicht ist der Krieg eine primitive Sache; Er löst weder Konflikte, noch schafft er Sicherheit. Aus ihm entsteht Hass, der wiederum zu mehr Krieg führt. Da er so auf sich selbst referiert, eskaliert er weit über menschliches Übel hinaus und erzeugt Leid, dass für Menschen, die noch nie einen Krieg am eigenen Leib erlebt haben, unvorstellbar ist. Die Erinnerung an dieses Leid verblasst mit dem Ableben der Generation, die Krieg erlebt hat. Die Erinnerung wachzuhalten, um dem Hass vorzubeugen, wird im Westen leider vernachlässigt.

Treiber des Krieges ist die schwarz-weisse, vereinfachte und damit primitive Darstellung: Es gibt nur eine böse Partei - die anderen. Alles, was darüber hinaus differenzierter ist, muss unterdrückt werden, weil Differenzierung und Verständnis dem Hass die Grundlage entziehen und Krieg verunmöglichen würde. Pazifisten wird ihre Nähe zum oder ihr Verständnis für die 'Bösen' vorgeworfen, so lässt sich jedes Volk für den Krieg einspannen (vergl. letztes Interview mit Hermann Görings vor seinem Suizid, wir haben das in einem früheren Blogeintrag schon einmal gebracht).

Für uns im Westen hat der Krieg in Palästina offiziell nur eine Ursache - der Angriff der Hamas - und wir wollen weder Geschichte noch Konfliktanalyse, um das zu verstehen. Wir müssen auch nicht mit unschuldig leidenden Menschen auf allen Seiten sympathisieren und mitfühlen - nur mit 'unserer' Seite. Alles, was wir brauchen, sind politisch korrekte Emotionen und Parteinahme - unabhängig davon, ob es das noch schlimmer macht und noch mehr unschuldige Menschen in den Tod treibt oder nicht.

So erklärt die Ursula von der Leyen, dass "Europa an der Seite Israels steht" - aber welches Europa meint sie? Wurde sie jemals von Europa oder von den EU-Bürgern gewählt, um in deren Namen zu sprechen? Sie leistet damit aber auf jeden Fall einen Beitrag zu Gunsten des Kriegs.

Dem Krieg zu dienen ist eine in Kauf genommene Folge intellektueller und moralischer Faulheit: Die Verurteilung und Verunmenschlichung des Gegners erfordert kein Wissen oder komplexes Verständnis, aber sie spricht die Gemüter an, die Erzeugung von Hass ist ein zynische Form von Kitschpolitik. Sie fördert den Tod Tausender auf allen Seiten und ist von Grund auf menschenverachtend, denn es gibt immer Möglichkeiten, sich für den Frieden zu engagieren.

In der Ukraine stellt sich der Westen (NATO / EU-Länder, Japan und Korea) auf die Seite des Unterlegenen, der überfallen wurde. In Palästina stellt er sich auf die Seite Israels. Die Ukraine, als auch Israel („our largest American aircraft carrier in the world that cannot be sunk“ gemäss eines ehemaligen Staatssekretärs) sind Stellvertreter, mit denen die Vormacht der USA auf Kosten des Rests der Welt ausgefochten wird.

Wenn Israels Besatzungs- und Vernichtungspolitik ihren Lauf genommen hat - kein Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Treibstoff und vor allem keine Gnade, dazu die totale ethnische Säuberung und die Zerstörung von Wohngebieten - werden die Regierungen des Westens alles tun, um den Genozid mithilfe der Presse in eine Notwendigkeit, in ein das kleinst-mögliche, in Kauf zu nehmende Übel umzudeuten. Sie wüssten aber eigentlich jetzt schon, dass sie ihre Verantwortung im blutigen, moralischen Dilemma ertränkt haben, das sie selbst geschaffen haben.

Doch anstatt sich aufrichtig zu bemühen, aus der primitiven Eskalationsspirale herauszukommen, wird der Westen einen neuen, noch grösseren Konflikt finden (China, Iran, Korea…), der die gegenwärtige politisch-moralische Katastrophe vertuscht. Seine Reaktion wird sein wie immer: mehr Waffen, kein Waffenstillstand, keine Vermittlung und keine Verhandlungen, weil man mit dem 'Bösen' nicht verhandelt. Militaristisches Denken schliesst aus Sicht des Westens Diplomatie aus. Wir machen nie Fehler, an unserem Wesen soll die Welt genesen.

Da die Entscheidungsträger in den westlichen Hauptstädten in wirtschaftlicher, politischer, kultureller, diplomatischer und moralischer Hinsicht verloren haben, gibt es nur noch einen Ansatz - wie bei allen untergehenden Imperien in der Geschichte: Militarismus. Das bedeutet Massentötung und ethnische Säuberung. Man tötet die Menschen und nicht das Problem, das zwischen den Parteien die Gewalt überhaupt erst verursacht und weiter ungelöst bleibt.

Was wir in den kommenden Wochen und Monaten im Nahen Osten an Gräuel erleben werden, lässt das Massaker von Srebrenica und den Krieg in der Ukraine quantitativ verblassen. Die westliche Aussenpolitik ist mit rationaler Analyse, politikwissenschaftlichem oder internationalem Denken nicht mehr zu verstehen.

Wir brauchen Konzepte und Theorien aus der Psychologie und der Religion, um die Schuldzuweisungen, die Emotionalität, die psychopolitische Projektion, die Aufhebung der Unschuldsvermutung, die folgenschweren Unterlassungen, die Verleugnung, den Wiederholungszwang, die Paranoia, das Sündenbock-Denken, die Rache und die Aggression zu verstehen, die sich in der Politik der USA/NATO/EU-Länder in verschiedenen Varianten voll entfalten.

Für die westlichen Aussenministerien, die staatlich finanzierte Forschung und die Mainstream-Medien sind daher Konfliktanalyse, Konfliktlösung, Vermittlung, Friedenssicherung, Verhandlungen und Versöhnung keine ernsthafte Priorität mehr.

So düster die Situation derzeit erscheint, mit der Kenntnis dieser Mechanismen liesse sich der Teufelskreis auch einfach unterbrechen. Ich denke an John F. Kennedy, der mit seiner Rede die Kuba-Krise beendet hat – einer Rede, die strengenommen gar nicht an die eigene Bevölkerung gerichtet war, sondern eine Bekundung von Respekt und Verständnis an die Russen (Sowjetbürger) war. Die 'Bösen' sind auch Menschen, die ihre Kinder lieben.

Das ist die Neutralität, die der Schweiz gut anstünde. Sie ist dauernd zu entwickeln. Sie ist nicht einfach statisch, sie erfordert stetige Arbeit und lässt intellektuelle und moralische Faulheit nicht zu. Sie ist die einzige Form, die das Potential hat, echten Frieden zu bringen.

Schweigen, Ohrenbetäubend.
28.2.2023

Mehr als vier Monate nach der Explosion der Nord Stream-Pipelines hat der Bericht des Investigativjournalisten Seymour Hersh, erneut die internationale Öffentlichkeit aufgewühlt. Der Bericht enthält Details darüber, wie die Geheimdienste die Sabotage auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden planten und wie die US-Marine die Bombardierung in Zusammenarbeit mit den norwegischen Streitkräften durchführte. Nach der Veröffentlichung des Berichts hat Washington diesen wenig überzeugend als ‚Fake News‘ dementiert. Die internationale Gemeinschaft muss Washington so lange auffordern, bis es eine überzeugende Erklärung abgibt.

Der 85-jährige Sy Hersh ist ein berühmter, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Journalist. Vor über 50 Jahren gab sein Bericht, der das Massaker des US-Militärs an der vietnamesischen Zivilbevölkerung aufdeckte, der Anti-Kriegs-Bewegung in den USA erheblichen Auftrieb. Er stand auch hinter der Untersuchung des berüchtigten Vorfalls der Misshandlung von Gefangenen in Abu Ghraib im Jahr 2003 und trug zur Aufdeckung des Watergate-Skandals bei, einem der schändlichsten politischen Skandale in der Geschichte Washingtons. Hershs jüngster Bericht ist weder mit Verschwörungstheorien in der öffentlichen Meinung vergleichbar, noch kann er vom 'kollektiven Westen' einfach so übergangen werden.

Die Verdächtigungen gegen die USA sind nicht unerwartet, aber die Details, die aufgedeckt wurden, jagen einem immer noch einen Schauer über den Rücken. Hersh legt dar, dass Washington die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines bereits seit Ende 2021, lange vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine, geplant hat. Und in den mehr als neun Monaten der Debatte ging es Washington nicht darum, ob die Pipelines gesprengt werden sollten, sondern wie man keine Beweise hinterlassen kann. Daher wurden die ausführenden Kräfte, der Zeitpunkt, der Ort und die Art und Weise der Explosion sorgfältig geplant. Wenn die Berichte in Hershs Artikel wahr sind, wird die Menschheit die Fähigkeit der USA, den Frieden zu stören, neu bewerten müssen.

Die Explosion der Nord Stream-Pipelines, einer der wichtigsten transnationalen Energieversorgungsinfrastrukturen der Welt, war ein extremes Ereignis in der internationalen Politik. Die Nord Stream-Pipelines waren einst eine wichtige Energieverbindung zwischen Westeuropa und Russland, die die Sicherheitslage durch die Ausweitung gemeinsamer Interessen stabilisierte, wobei das gegenseitige politische Vertrauen fragil war. Aus diesem Grund war sie Washington stets ein 'Dorn im Auge'.

Mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines wurde die einzige verbliebene Brücke zur Schaffung gemeinsamer Sicherheit in Europa zerstört – was bedeutet, dass die westeuropäischen Länder am Scheideweg des Russland-Ukraine-Konflikts in eine enge Bindung an die USA gezwungen wurden. Hersh erwähnte in seinem jüngsten Bericht auch, dass "Deutschland und der Rest Westeuropas von günstigem, von Russland geliefertem Erdgas abhängig werden würden – während die Abhängigkeit Europas von Amerika abnimmt." Dies ist wohl der Hauptgrund, warum Washington beschlossen hat, die Pipelines zu sprengen.

Der Angriff und die Zerstörung wichtiger ziviler Infrastrukturen ist ein terroristischer Akt, der nicht toleriert werden darf. Dies ist in der internationalen Gemeinschaft unumstritten. Nach der Explosion haben viele Länder die Tat öffentlich verurteilt, und auch der US-Aussenminister Antony Blinken erklärte, dass Sabotage an den Nord-Stream-Gaspipelines "in niemandes Interesse" sei.

In einer etwas gerechteren Weltordnung wäre es selbstverständlich gewesen, ein gemeinsames Ermittlungsteam einzusetzen, um so schnell wie möglich die Wahrheit herauszufinden, die Täter zu ermitteln und sie zu bestrafen. Doch wie erwartet blockieren einige Länder eine solche internationale Untersuchung, und seither sind mehr als fünf Monate vergangen, ohne dass es zu nennenswerten Fortschritten kam. Hershs Bericht liefert zumindest einen wichtigen Hinweis auf die internationale Untersuchung.

Die westlichen Medien, die immer behaupten, "professionell" und "unabhängig" zu sein, sind selektiv blind gegenüber Hershs Enthüllungen und berichten lediglich über Dementis der US-Regierung oder verlieren sich in Wortklaubereien, ob Details aus Hershs Bericht stimmen können. Verglichen mit dem einhelligen Fingerzeig auf Russland nach der Explosion zeigt dieses ungewöhnliche Schweigen, dass unsere Medien sehr genau wissen, wann sie sich in Szene setzen oder zurückhalten sollen.

Eine Vielzahl von Fakten zeigt, dass die USA der verdiente Spitzenreiter in der „Doppelmoral-Disziplin" sind. Sie sind besessen und gut darin, Gerüchte zu fabrizieren oder grundlose Anschuldigungen gegen andere zu erheben. Aber sie werden niemals ihre eigenen Fehler oder gar Verbrechen zugeben, selbst wenn die Beweise stichhaltig sind und ihre Vertreter die Verbrechen öffentlich angekündigt haben. Stattdessen gibt sie anderen die Schuld, um sich selbst als moralische Sieger darzustellen.

Doch wie bei den anderen wichtigen Artikeln von Simon Hersh wird es auch hier nicht lange dauern, bis ihre Richtigkeit bestätigt werden wird. Bis dahin sollte man nicht überrascht sein, wenn beide Parteien behaupten, den Krieg gewonnen zu haben. Werden die Menschen in Zukunft auf diese Zeit der Geschichte zurückblicken, werden sie auf jeden Fall Hershs Linien folgen.

Durchbruch für die Kernfusion?
16.12.2022

Das National Ignition Facility, kurz NIF, meldet einen Durchbruch auf dem Weg zu sauberer Energie mittels Kernfusion: Erstmals wurde mehr Energie aus der Fusion gewonnen als mit einem Laserimpuls auf das Target geschossen wurde.

Wie ist dieser Durchbruch zu beurteilen?

In der theoretischen Bilanz, also ohne die Wirkungsgrade aller Umwandlungen von Strom in Laserlicht in Wärme in Strom zu berücksichtigen, stehen 2.05 Megajoule Laserenergie-Eintrag einem Fusionsenergie-Austrag von 3.15 Megajoule gegenüber.

Um den Netto-Energiegewinn von 1.1 Megajoule zu erzielen, verwendeten die US-Wissenschaftler ein fussballfeldgrosses Lasersystem, um einen kurzen Impuls aus 192 Laserstrahlen auf das erbsengrosse Brennstoffpellet zu richten.

Anders als Wendelstein 7X oder ITER strebt dieses Experiment aber keinen dauerhaften Betrieb an; Das Konzept ist so gesehen grundsätzlich nicht für eine Stromproduktion geeignet.

Doch wes’ Kind ist das NIF? Das NIF ist ein Labor des ‚Weapons and Complex Integration‘, kurz WCI. Auf der Website heisst es:

"Das WCI nutzt die NIF, um das Verständnis grundlegender nuklearer Prozesse und der Leistungsfähigkeit von Kernwaffen zu verbessern. Das NIF ist die einzige Anlage, die kontrollierte, experimentelle Studien zum thermonuklearen Abbrand durchführen kann, dem Phänomen, das die immense Energie moderner Kernwaffen erzeugt. Sie bietet einen beispiellosen experimentellen Zugang zur Physik von Kernwaffen.

Die Daten aus den NIF-Experimenten ergänzen die Tests in anderen Versuchsanlagen in Livermore und anderswo. Diese experimentellen Daten tragen dazu bei, hochentwickelte dreidimensionale Waffensimulations-Computercodes zu informieren und zu validieren und ein umfassenderes Verständnis der wichtigen Waffenphysik zu erlangen.“

Riesige Bilanzüberschüsse gibt seit ‚Ivy Mike‘, der ersten Wasserstoffbombe. Sie wurde im Oktober 1952, also vor mehr als siebzig Jahren, gezündet. Fusion auf der Basis von Impulsen – das ist nichts Neues. Das von den USA durchgeführte Experiment zur lasergesteuerten Kernfusion dient der Erforschung der physikalischen Grundlagen von Kernwaffen. Wenn dieses Geld in zivile Projekte gesteckt würde, ginge es allen auf der Welt besser.

Wir hoffen, dass Erkenntnisse daraus auch für eine friedliche Nutzung der Fusionsenergie abfallen. Wenn die internationalen Experimente am ITER oder auch bei vielversprechenden Start-Ups wie zum Beispiel bei Generalfusion um Michael Laberge solche Meldungen machen, freuen wir uns dann wirklich.

Illustration aus Wikipedia…

Ein bitterer Scherbenhaufen:
12.12.2022

Angela Merkel, interviewt von 'Die Zeit' und dem 'Spiegel', zerstört den letzten Rest Vertrauen als Voraussetzung für einen verhandelten Frieden. Wie weit würden unsere Politiker gehen, wenn sie derart von Niedertracht und Hass verblendet sind?

Vom Drängen auf die Minsker Vereinbarungen bis hin zum Schüren des anhaltenden Konflikts zwischen Moskau und Kiew versucht der Westen, ein Land, das er als Rivalen betrachtet, durch ausdrückliche oder unausgesprochene Verzögerungsversuche zu erschöpfen und einzudämmen.

Der Westen hat Russland nie wirklich als Dialogpartner betrachtet. In einem Interview mit der deutschen Zeitung 'Die Zeit' enthüllte die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel letzte Woche die wahren Absichten des Westens hinter den Verhandlungen mit Russland und der Ukraine zur Förderung eines Waffenstillstands im Jahr 2014. Sie räumte ein, dass die Minsker Vereinbarungen ein "Versuch waren, der Ukraine Zeit zu geben" und dass Kiew sie genutzt habe, "um stärker zu werden“.

Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte daraufhin am Freitag, Merkels Äusserungen seien „unerwartet und enttäuschend". Wie die NZZ berichtete, fühlte sich Putin nach den Minsker Vereinbarungen vom Westen verraten. "Es hat sich herausgestellt, dass niemand die Vereinbarungen umsetzen wollte", so der russische Staatschef.

Die Minsker Vereinbarungen hatten zum Ziel, die Ukraine-Krise zu bewältigen und eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Merkel hat damit etwas zugegeben, was westliche Politiker in Bezug auf die Minsker Vereinbarungen nicht zugeben wollen: Sie waren nur ein Notbehelf, um der Ukraine und dem Westen Zeit zu verschaffen, und die westlichen Länder haben sich nie wirklich um eine Lösung der Differenzen mit Russland in der Ukraine-Krise bemüht.

Die Äusserungen des ehemaligen Kanzlerin reissen den letzten Rest der "freundlichen" Maske nieder, die einige westliche Länder gegenüber Russland aufgesetzt hatten. In den Augen einiger westlicher Länder ist Russland nur ein diplomatischer und politischer "Fremder". Unter dem Einfluss Washingtons betrachten einige Länder Moskau zudem als eine so genannte Bedrohung aufgrund seiner enormen Militärmacht und seines politischen Systems, das nicht dem "westlichen Standard" entspricht. Infolgedessen haben diese Länder seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nie aufgehört, Russland zu unterdrücken.

Auf der anderen Seite hat sich Russland immer als europäisches Land verstanden und versucht, Vertrauen zum Westen aufzubauen. Daher ist es verständlich, wenn Putin seine Enttäuschung und das Gefühl des Verrats über Merkels Worte zum Ausdruck brachte.

Das Vertrauen Russlands in den Westen ist bereits auf einen neuen Tiefpunkt gesunken. Und die Heuchelei des Westens hat Moskaus Willen zu einem effektiven Dialog mit dem Westen erschöpft, so einige Experten. "Jetzt steht die Frage des Vertrauens auf der Tagesordnung, und sie ist bereits nahe Null", sagte Putin am Freitag.

Merkels Bekenntnis zu den Minsker Vereinbarungen zeigt auch, dass einige westliche Länder, insbesondere die USA, vertragliche Verpflichtungen überhaupt nicht einhalten. Sie nehmen ihre Worte zurück, wenn es ihnen gerade passt.

Bei dem von den USA angestrebten Abkommen geht es nie um Glaubwürdigkeit, sondern immer um Interessen. Ein Abkommen wird von den USA als nützlich erachtet, wenn es die Interessen des Landes fördert; andernfalls ist Washington immer bereit, es zu verweigern. Ein Beispiel dafür ist der Ausstieg der USA aus dem Vertrag über den Schutz vor ballistischen Flugkörpern und dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen. Washington misst auch mit zweierlei Mass, wenn es darum geht, die Interessen seiner Verbündeten bei der Umsetzung des Abkommens durchzusetzen.

Die USA und mehrere andere westliche Länder sind in der internationalen Gemeinschaft zu "Säumigen" geworden. Sie wagen es, ihre Versprechen zu brechen, weil sie von der westlichen Hegemonie mit den USA im Zentrum geschützt werden. Washington hat bereits viele andere westliche Länder entführt, um sich dieser Hegemonie anzuschliessen und eine verzerrte internationale Ordnung zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

Es ist zu erwarten, dass einige von den USA geführte westliche Länder die so genannten Werte weiterhin als Vorwand nutzen werden, um ihre kollektive Hegemonie zu verteidigen und andere unter internationalen Regeln und Ordnungen zu ihren Gunsten zu schikanieren. Solange eine solche Vorherrschaft besteht, wird die Welt weiterhin Opfer von Machtpolitik sein und nicht ein Ort voller Gerechtigkeit und Fairness.

Hotelfachschule

Hotelfachschule Qaqortoq, Kommune Kujalleq, Grönland

Ein richtig schönes Projekt an einem sehr schönen Ort. Es ist aus der Corona-Zeit gewachsen. Wir glauben, dass der Tourismus in Grönland den Fischfang als wichtigste Branche ablösen wird. Umso wichtiger ist, dass er sich gut und bewusst entwickelt – schliesslich sind alle Landschaften Grönlands sehr empfindlich und dürfen nur mit grösster Umsicht bereist werden.

Die Natur entwickelt sich aufgrund der tiefen Temperaturen sehr langsam. Dem muss Tourismus Sorge tragen.

Weitermachen

Ein grosser Teil der Krise ist die Stimmung, der wir uns hingeben. Lassen wir uns nicht hinabziehen! Wir bauen weiter und lassen die Zukunft nicht entgleiten. Wenn wir etwas erschaffen, bringen wir damit den Tatbeweis, dass wir an eine positive Zukunft glauben.

The Glorious Land

By PJ Harvey and Gordon Matthew Sumner, on Apple Music

How is our glorious country ploughed?
Not by iron ploughs
Our land is ploughed by tanks and feet,
Feet
Marching

Oh, America
Oh, England

How is our glorious country sown?
Not with wheat and corn.
How is our glorious land bestowed?

What is the glorious fruit of our land?
Its fruit is deformed children.
What is the glorious fruit of our land?
Its fruit is orphaned children.

Wie man zum Krieg kommt

Hermann Göring, kurz vor seinem Selbstmord 1946 vom amerikanischen Journalisten Gustave Gilbert befragt, sagt

'Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg […] Aber schliesslich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt. […] Das ist ganz einfach. Man braucht nichts weiter zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.'

Preussisch Blau

Chemische Friedenssicherung mit CO₂-Vermeidung

Die hohen Energie- und Leistungsdichten, die bei Akkus für Autos und Mobiltelefone gefragt sind, werden heute mit Lithium-Ionen-Batterien (LIB) erreicht. Lithium wurde in den letzten Jahren zu einem strategisch wichtigen Rohstoff. Die Steuerung der Fördermengen des zunehmend raren Metalles unterliegen ähnlichen Kriterien wie Erdöl. Positiv formuliert möchte man die Lagerstätten möglichst lange erhalten, keinen Preiszerfall durch gegenseitige Konkurrenz (Race to the bottom) und soviel Lithium auf dem Markt, dass es knapp nicht attraktiv ist, Technologien, die auf anderen Materialien basieren, zu erschliessen.

Es gibt zahlreiche Typen von LIB, die sich in der Materialzusammensetzung der einzelnen Batterie-Bestandteile unterscheiden. Im Akku des Tesla Modell 3, welcher in China gefertigt wird, kommt beispielsweise eine Lithium-Eisen-Phosphat (LFP) Legierung zum Einsatz. Gegenüber Lithium-Kobalt-Nickel-Mangan-Legierungen ermöglichen LFP-Kathoden zwar geringere Leistungsdichten, sie sind aber günstiger, weniger gefährlich, thermisch unempfindlicher und benötigen weniger Rohstoffe aus Krisengebieten – vor allem aber entsteht durch ihre Herstellung weniger CO₂. Soweit, so gut.

Werden LIB sich noch weiter entwickeln? Ja bestimmt, aber der Aufwand für Verbesserungen dieser gereiften Technologie wird immer grösser. Grössere Schritte sind eher nicht zu erwarten.

Wir glauben, dass schon die nahe Zukunft der Elektromobilität einer anderen Technologie gehört: Natrium-Ionen-Batterien (NIB). Während europäische Hersteller die Versorgung mit strategischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Nickel und Kupfer zu sichern versuchen, kommen die NIB ganz ohne sie aus und sind nur schon deshalb viel umweltfreundlicher. Preussisch Blau, welches mit Natrium versetzt zu Preussisch Weiss wird, ist eine der ältesten industriellen Chemikalien und kann in einem einfachen wässrigen Prozess aus Steinsalz mit vergleichsweise wenig Energie hergestellt werden.

In der Rohstoffgewinnung stehen einem Kilogramm Steinsalz bezüglich Batterietechnologie 130 kg Lithiumerz gegenüber! Die Energiebilanz einer solchen Batterie, als auch das Preis-Leistungs-Verhältnis übertrifft alle anderen heutigen Technologien. Und schliesslich kann Steinsalz nicht zu einem strategischen Material werden, weil es schlicht und einfach beliebig viel davon gibt.

Europäische Firmen wie Faradion (UK) oder Altris (SE) haben wesentlich zu Entwicklung von NIB beigetragen. Während sie im Westen (Europa, USA) kaum Investoren oder staatliche Unterstützung fanden, werden sie in China mit offenen Armen angenommen. Mit CATL (CN) hat der weltgrösste Akkuhersteller nun die Produktion im grossindustriellen Massstab aufgenommen. Das wird helfen, günstig und umweltfreundlich den motorisierten Individualverkehr Chinas umzustellen.

Sämtliche neu gebauten Batteriefabriken in Europa (Stand Ende 2021) sind immer noch auf dem Lithium/ Nickel/Kobalt-Trip (nicht mal LFP), weil sich die hiesige Industrie nicht vom Gedanken lösen kann, dass Elektromobiliät vor allem ein Premium-Segment mit höchsten Ansprüchen bedienen soll.

Evidenz / Invidenz

Dem Wort liegt die lateinische ‚evidentia‘ zugrunde und dieser wiederum das Wort ‚videre‘, also sehen. Die Silbe e- nehme ich an, ist kurz für ex, also ‚heraus‘. Etwas heraussehen, ein Zusammenhang, eine Klärung, eine unzweifelhafte Erkennung eines Umstandes. Von Evidenz wird erwartet, dass sie sich einem erschliesst ohne weiteres Zutun. Das ist schön und praktisch, wenn man eine Theorie machen will, um etwas zu erklären.

Schöpfung aber ist nicht evident. Aus 0 wird 1. Es wird etwas herbeigesehen, was da noch nicht ist. Das wäre mein Antagonist für Evidenz: Invidenz. Das zu sehen, was noch nicht ist.

Dabei verlässt man sich nicht auf Eindeutiges, sondern auf alles Andere.

893 Kalorien pro Tag

Bei durchschnittlicher Aktivität benötigt der Mensch knapp 3000 Kalorien pro Tag.

Im Januar 2008 wurde im Rahmen verschärfter Blockaden Israels berechnet, dass jedem Bewohner des Gaza Streifens 2279 tägliche Kalorien zustehen sollten, um Unterernährung und damit einhergehend Hunger zu verhindern. Im zur Berechnung beigezogenen Warenkorb (hier nachzulesen) sollten, auf Basis geheimer Richtlinien, humanitäre Notwendigkeiten zugelassen und 'nicht essentielle Luxusgüter' weglassen werden. Seine verwirrende, laufend wechselnde Auslegung aber – zum Beispiel wurde gefrorener Lachs und fettarmer Joghurt toleriert, Instantkaffee und Koriander nicht – verhinderte eine kontinuierliche Ernährung und sinnvolle Planung.

Weiter wurden Berechnungen angestellt, wie viele Lastwagen den Todesstreifen täglich passieren dürften. Bei den damals 1.5 Mio. Einwohnern hätte dies bedeutet, dass diese Kalorienmenge durch täglich 170 Lastwagenlieferungen hätte gewährleistet werden sollen. Durchschnittlich wurden aber nur 67 Lastwagen durchgelassen (hier nachzulesen), mit der Begründung, dass laut einer grosszügigen Berechnungsbasis in Gaza ja auch Lebensmittel hätten angepflanzt werden können. Ich weiss nicht, ob andere Lieferungen des täglichen Bedarfs wie Ersatzteile und Baumaterial, in diesen 67 Lastwagen eingeschlossen waren. Im besten Fall entspricht das 893 Kalorien pro Tag.

Erinnern wir uns, dass Gaza einer der am dichtesten besiedelte Teil ist der Erde. Auf 360 km² drängen sich heute zwei Millionen Menschen. Zugang zu Elektrizität gibt es täglich zwei Stunden. Zugang zu sauberem Wasser gibt es nicht. Äcker gibt es kaum, ihre Bewirtschaftung ist gefährlich, u.a. wegen der Selbstschussanlagen. Oben drauf kommt, dass die Ernte durch den Einsatz von Herbiziden aus der Luft verhindert wird (hier nachzulesen).

Heute leben in Gaza knapp zwei Millionen Menschen. Die Blockaden sind strenger denn je.

Ihr Leben ist wenig wert. Ihre Toten zählen kaum. Ihre kleinsten Kinder stehen schon unter dem Verdacht, Terroristen zu sein. Berichte über Gaza in unseren Medien beginnen immer erst mit den Raketen, die von dort aus abgefeuert werden. Wes dieser verzweifelten Reaktion vorausging, wird verschwiegen. Nicht mal das unmittelbare wird gezeigt. Wer gegen diese Politik Israels spricht, wird sofort als Antisemit verschrien.

Ich habe versucht, diesen kurzen Text so objektiv wie möglich zu verfassen, um nicht als Antisemit verschrien zu werden.

Julian Assange

Grossbritannien opfert nicht nur die Pressefreiheit der 'westlichen Welt', sondern die eigene Souveränität gegenüber den USA und die Menschenrechte. Julian Assange, unseres Erachtens ein Held, wird derzeit in einem unwürdigen Schauprozess quasi hingerichtet, ihm droht die Auslieferung an ein Geheimgericht in die USA und ein absurdes Strafmass von 175 Jahren – wofür?

Sein Verbrechen war die Aufdeckung von Kriegsverbrechen. Die Ausbreitung dieser traurigen Wahrheit wird offenbar so stark befürchtet, dass sie mit allen Mitteln verhindert werden muss – laut UNO ist darin Folter eingeschlossen. Nichts ist für ein totalitäres Regime schlimmer, als mutige Menschen, wie Assange einer ist.

Die NZZ, als die mit Abstand wichtigste Zeitung der Schweiz, schafft es hierzulande nicht einmal, darüber zu berichten. Wenn die NZZ auch nur eine homöopathische Dosis Assange in sich hätte, würden sie sich nicht so verhalten können.

Text aus dem Lied "Der Sheriff"
DAF, 2003

Wenn der Sheriff reiten geht
Reiten alle mit
Wenn der Sheriff reiten geht
Reiten alle mit
Will der Sheriff reiten gehen
Reiten alle mit
Wenn der Sheriff Feste feiert
Feiern alle mit

Alle müssen respektieren
Alle müssen akzeptieren
Alle müssen mal kapieren
Wer der Sheriff ist

Drei Verbrecher klauten aus der Küche mal ein Ei
Schon am nächsten schönen Morgen hingen sie am Galgen
Und alles war vorbei
Denn der Sheriff hat gesagt: Klaue nie ein Ei

Alle müssen respektieren
Was der Sheriff sagt
Alle müssen akzeptieren
Was der Sheriff macht
Alle müssen mal kapieren
Alle müssen mal kapieren
Alle müssen mal kapieren
Wer hier der Sheriff ist

Der Sheriff ist ein frommer Mann
Er kennt die Bibel ab und an
killt er einen Eierdieb
Und alle alle machen mit
Jeder muss mal akzeptieren
Alle müssen respektieren
Alle müssen mal kapieren
Wer der Sheriff ist

Will der Sheriff tanzen gehen
Tanzen alle das ist schön
Alle müssen mal kapieren
Was der Sheriff will
Was der Sheriff will
Will der Sheriff tanzen gehen
Tanzen alle das ist schön

Wir vermissen Gabi Delgado, der im Frühling 2020 gestorben ist. Er hat seine Jugend grosszügig an uns verschwendet

Mit Jitsi Corona umgehen

Derzeit hocken (wieder) alle daheim.

Die Software dazu heisst Jitsi (Link); Man kann sich so treffen, Vorträge halten etc.

Jitsi ist open source, unlimitiert und baut ein mesh-förmiges Netz auf. Die Verbindung wird lediglich verwaltet und eingerichtet, anschliessend läuft es verschlüsselt peer-to-peer, wie es sich gehört.

Die zumeist schockiert vorgetragene Erzählweise, wonach nicht die Systeme (wie Whatsapp) uns dienen, sondern wir den Systemen dienen – als Substrat, als Produkt, als Datenvieh – paralysiert einem für normal.

Aber es gibt auch ein andere Sicht, in der wir nicht ohnmächtig sind!

Wir kommen erst langsam dazu, zu merken, dass das Internet nicht einfach, so wie es immer suggeriert wird, von grossen Internetkonzernen mit nur den besten Absichten "für" uns gemacht wird, sondern dass wir selbst Autoren und Schöpfer sind. Sowohl inhaltlich, als auch formal, und jetzt kommt's: auch in funktionaler Hinsicht. Hier müssen wir den Fuss in die Türe stellen, um uns den Zugang zur Entwicklung einer eigenen, unkuratierten Meinung zu bewahren.

links eine konventionelle Topologie, rechts ein Mesh mit vielerlei Wegen

Um die Abhängigkeit von globalen Konzernen zu mildern, muss das Netz von unten aus, will heissen von uns einfachen Nutzern, sukzessive umgebaut werden. Das tun wir über die Wahl unserer Werkzeuge. Nicht YouTube (Google), Microsoft (Teams) oder Zoom sollen genutzt werden, sondern möglichst 'nicht hierarchische' OpenSource Software. Mit Netzwerken, die als Meshes funktionieren.

New Dark Age

Buch von James Bridle, 2019

Bridle schriebt irgendwo im ersten Kapitel, dass er auch nicht gerade davon angetan ist, genau diese Buch schreiben zu müssen. Das erste Kapitel musste ich viermal lesen, es ist mühsam – aber lohnend. Das Buch macht schlechte Laune und ist bitter nötig. Wenn man sich fragt, wie sehr sich Dystopie derzeit ausbreitet, ist dieses Buch eine grosse Hilfe. Es sucht, ein kulturelles Verständnis aufzubauen und damit unseren schweren Sorgen zum Verlust von Freiheit, Umwelt, Gesundheit, Frieden etc. eine Verhandelbarkeit zu geben.

Disparate Youth / Sippenhaftung

Quartier du Grand Parc, Bordeaux, F
Lacaton & Vassal 2016

Dieses Bild entstand Anfang Mai 2019. Die Plattenbauten wurden durch Lacaton Vassal 2016 in laufendem Betrieb saniert. Die Sanierung ist konzeptuell eindrücklich – die Sozialwohnungen wurden um exklusive Attribute wie Terrasse und Glasbrüstungen ergänzt – ein Spiel mit Wertmasstäben.

Doch wohin tun müssen wir das Brandloch? Hier ist eine Dissonanz, Aufwertung sollte ja gegen Wertschätzung eingetauscht werden. Wenn so ein Fleck da ist, wertet dies auch alle anderen ab. Es zeigt allen, dass die Bewohner möglicherweise nicht verantwortlich mit der Substanz umgehen und diese Aufwertung nicht verdient haben. Dasselbe gilt im Kleinen für die vorstehenden Veloräder, die vielleicht zuerst da waren und die Bauten mit einem Netz überziehen.

Gleichzeitig sind es aber genau diese Dinge, die diese interessanten Gebäude noch ein wenig interessanter und aufschlussreicher machen. Wie müssen wir als Planer damit umgehen? … Derzeit arbeiten wir in Spreitenbach AG und in Seebach ZRH an zwei Projekten mit sozialen Wohnungen. So einfach die Grundrisse sind, so einfach die Architektur ist, die schwierige Aufgabe ist das, was man oben auf dem Bild sieht.

Google Goi

Hier ist Google Assistant bei der Arbeit. Diese hübschen, ethnisch einwandfrei ausgesuchten Menschen backen zusammen einen Kuchen und freuen sich gemeinsam über die Google-Assistant-Taste am neuen Nokia 4.2 Smartphone. Der damit angerufene 'Assistant' hilft ihnen mit den Zutaten und der Reihenfolge. Das Foto stammt aus dem moralisch unverfänglichen HMD Global Presskit.

Die Google Assistant Taste werden wir künftig öfter antreffen. Wenn man sie drückt, wird die laufende Aktion mit KI ausgewertet und möglichen Services zugeordnet.


Und hier ist der Stadia Controller. Er verbindet via WiFi. Mit seinen Tasten kann man, durch das Google Stadia-Rechenzentrum in den USA, ganz einfach Content auf Youtube teilen.

Dank eingebauten Mikrofonen kann Google direkt Kontakt mit dem Spieler aufnehmen. Er verfügt vermutlich nicht ünber die Rechenleistung, um Spracheingaben lokal bearbeiten zu können. Das bedeutet, dass Google mithört.

Google 90%

Ok, Google.

Du kümmerst Dich eifrig um meine Fotos und schaust, dass sie besser und schöner gerechnet werden. Das machst Du mit 90% aller Fotos, da vermutlich dieser Anteil Fotos mit Android-Smartphones geschossen werden, welche wiederum 90% aller Smartphones ausmachen, weltweit.

Bei 90% aller Suchanfragen weltweit kümmerst Du Dich darum, dass die Suchenden das Richtige finden, von dem Du denkst, dass es das Richtige für sie ist, nicht das Böse, nicht das Flasche, nur das Richtige.

Du stellst meinen Kindern mit Youtube 90% des Unterhaltungsmaterials ausserhalb von Games auf dem Internet zur Verfügung. Dank Autoplay schaust Du auch gleich, dass sie nichts anderes machen, sondern möglichst lange in Deiner von Influencern gepflegten Einflussbereich bleiben.

Du bist gegen Artikel 13, weil er Dich in die Verantwortung ziehen würde und Du schliesslich für den Content nichts kannst. Deshalb bittest Deine Influencer, sich gegen die von den Authoren und Verlägen instrumentierten Politiker zu wehren, die solchen Unsinn beschliessen. Das weisst Du aus Deiner Erfahrung besser.

Stadia macht Gaming zu einer Deiner 90% Domänen; Deine Genialität reicht mit Deinen Ressourcen wieder einmal viel weitere als diejenige all Deiner Mitbewerber. Jedes drittklassige Device wird aufwändige Games spielen lassen können.

Die Spieleentwickler werden vermutlich auf ihren Zeit-Anteil mit Abogeldern bezahlt. Sie werden die Spiele derart gestalten, dass eine möglichst lange Verweildauer in ihrem Spiel entsteht.

Ich etwas weniger, ich tue grad störrisch, meine Kinder etwas mehr, wird sind Dein Datenvieh. Das hältst Du gut und sorgfältig. Bei Dir bringt es den besten Ertrag. Das hast Du uns in Deinem Schulungsvideo 'the selfish ledger' gelehrt.

Cook's Camden

Buch von Mark Swenarton, erschienen bei Lund Humphries, London:



Inspiriert von der Ateiler 5-Siedlungen wie Halen und Flamatt wurden um Sydney Cook im London der späten Sechziger an der Zukunft gebaut. Low Rise High Density (LRHD) Projekte versprachen ein angeregtes Sozialleben. Heute: sie tun es wirklich. Das Buch muss man gesehen haben, es ist sorgfältig gemacht und ist nicht einfach ein Architekturbuch. Wie bei 'Ästhetik der Platte' begibt man sich auch hier auf eine kurzweilige Zeitreise.

Nespresso

Während unseren Diskussionen im Büro hat sich der Ausdruck 'Nespresso-Stil' etabliert. Anfänglich war es ein Witz, in dem es um falsch verstandene Italianità geht.

Wenn wir diesen vordergründigen Witz aber weiter denken, so entsteht mit diesem Ausdruck ein Begriff für eine bestimmte Form von kultureller Identität. Es ist nicht die falsch verstandene Italianità der zu dünnen Servietten am klebrigen Brioche oder der um den Hals gehängte Pullover beim Abendspaziergang.

Es ist im guten wie im schlechten Sinne brutal schweizerisch. Der Kaffee ist fast perfekt, kann mit kleinstem Aufwand hergestellt werden, die Qualitätssicherung stimmt. Nichts wird dem Zufall überlassen, die minimale Selbstverantwortung beschränkt sich darauf, dass die Alu-Kapseln auch wirklich recycelt werden. Es ist Ausdruck von Sowohl-Als-Auch für Dinge, die in der Schweiz wichtig sind: guter Kaffee, aber kein Stress damit und ein bisschen sauber muss es also schon sein.

Die Landschaft bewohnen und trotzdem eine vollständig funktionierende städtische Infrastruktur in Anspruch nehmen dafür.

Toward a Concrete Utopia:
Architecture in Yugoslavia, 1948–1980

Buch von Valentino Stierli und Vladimir Kulic, erschienen bei MoMa Press, New York:



Die yugoslavische Architektur wird, so scheint's, (aus Scham?) fast versteckt gehalten. Zum Glück wurde 2018 eine Ausstellung im Museum of Modern Art gemacht. Die Fotografien von Valentin Jeck zeigen den eindrücklichen Gestaltungswillen, sie sind nur so durchdrungen. Hat man sich erst einmal darauf eingelassen, entdeckt man herbe Poesie. Utopia, so wie gebaut, ist nicht lieblich, nicht sozialisitsch-technokratisch, sondern etwas ganz Eigenes, das es zu entdecken gilt. Ergo: selber lesen und entdecken. Noch besser aber gleich hinfahren, mit dem Buch unter dem Arm.

Die Ästhetik der Platte

Buch von Philipp Meuser, erschienen bei DOM publishers

Ist eines der schönsten und inspirierendsten neuen Bücher. Es ist wie eine kleine Reise nach Taschkent. Man kann es hier bestellen.

Internet of Things

Internet of Things (fortan IoT), bezeichnet die digitale Vernetzung von alltäglichen Gegenständen. Ein Beispiel, welches immer wieder bemüht wird, ist der Kühlschrank, der weiss, ob noch genug Milch da ist. Die Firma Duravit hat tatsächlich ein Klo entwickelt, welches laufend das Urin analysiert und mit dem Internet vernetzt ist. [Link]

Wir unterstellen dem Keramikhersteller, dass er kaum Ahnung von Datensicherheit haben kann, wenn selbst grosse Softwarekonzerne an weniger empfindlichen Aufgaben scheitern (z.B. Adobe mit Flash). Wie verändert sich also unser Alltag, wenn wir uns mit immer mehr Daten sammelnden Geräten umgeben, wenn wir auch banalste Dinge an die 'Cloud' abgeben?

Erst mal braucht IoT Strom, Wartung und Aufmerksamkeit. Es braucht also Zeit, welche wir direkt der sinnlichen, haptischen Wahrnehmung unserer Umwelt entziehen. Es macht uns dumm, indem unser Gehirn aus Energiespargründen, früher genutzte Bereiche langfristig deaktiviert. Dies wurde in einer Studie am Beispiel von Navi-Geräten kürzlich eindrücklich nachgeweisen. [Link]

Dramatisch aber ist, dass wir Software, die wir nicht durchschauen, Schritt für Schritt unser Bewusstsein ersetzen lassen.

Die Produkte, die wir verbauen, müssen wir nach diesen Kriterien prüfen und skeptisch sein bei allem, was irgendwie vernetzt ist. Und alles, was kein Strom braucht, ist schon mal positiv.

Die Cloud

"the cloud is just someone else's computer" ist eine Untertreibung.

Möglichst ausfallsicher gemachte Hardware treibt die Cloud an. Man weiss nicht, wo sie ist und wie es um ihre Zugriffsrechte steht. Wenn sie in den USA ist, schicken wir unsere Daten via Grossbritannien in die USA, durch transatlantische, nachweislich abgehörte Kabel. Datenschutz für nicht-US-Bürger gibt es nicht.

Wenn nicht alle Anruflisten, Kontaktdaten und Termine, Fotos und Notizen auf eben jener Hardware sein soll, von der wir nicht wissen, bei wem sie wo ist, ist es schwierig, ein Handy oder ein Computer so aufzusetzen, dass er 'cloudfrei' läuft. Apple z.B. verstellt die Einstellungen zur Cloud bei jedem Update auf's neue.

Privatsphäre

Privatsphäre ist ein grundlegendes, von allen Ländern der Welt (UNO) anerkanntes Menschenrecht und steht über den Gesetzen dieser Länder. Privatsphäre ist grundlegend, weil sie eine Voraussetzung für viele andere Menschenrechte, wie Freiheit, Menschenwürde und Selbstbestimmung, ist.

Privatsphäre ermöglicht es uns, Grenzen zu ziehen, um uns vor Einmischung Fremder in unser Leben zu schützen – damit wir gegenseitig die Bildung einer eigenen Meinung verhandeln können. Privatsphäre bedeutet im Alltag, zu bestimmen, wer unser Freund ist, mit wem wir unsere Gedanken und Gefühle teilen, aber auch einfach für was wir uns gerade interessieren. Diese Dinge darf uns niemand aufzwingen oder verbieten.

Die Grenzen, die uns vor fremder Einmischung schützen, ziehen wir selber täglich viele Male, oft ohne dass wir es merken, in dem wir bestimmen, was uns angetan und über uns in Erfahrung gebracht werden kann. Je mehr wir von uns preisgeben, desto weniger bestimmen wir.

Heute ist die grösste Gefahr für unsere Freiheit, dass unser Recht auf Privatsphäre umgangen wird, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Wenn wir das Internet nützen, wenn wir unsere Mobiltelefone nützen, wenn wir einkaufen, wenn wir ein Ticket lösen: Wir hinterlassen laufend Daten, die belegen, wo wir waren und mit wem wir uns möglicherweise getroffen haben, wie gesund wird sind und so weiter. Diese Daten sind für sich alleine betrachtet nur selten von Bedeutung – man meint „Ich habe nichts zu verbergen“ oder „Ich bin nicht wichtig“. Doch, was mit diesen Informationen geschieht, wird nicht so entschieden.

Werden diese vielen, häufig unwesentlichen, Daten überlagert, entstehen digitale Doppelgänger von uns und unserer Gesellschaft. Diese Doppelgänger, und nicht wir selbst, werden verwendet, um über Software über uns entscheiden zu lassen und um uns zu bewerten (z.B Versicherungen, Bonität, Suchtverhalten). Aus der Sicht von Staaten oder Konzernen haben heute unsere digitalen Doppelgänger mehr Gewicht als wir selbst, weil sie viel einfacher handhabbar sind, weil sie gekauft und verkauft werden können – ohne dass wir Einfluss nehmen können.

Unsere Rechte und Möglichkeiten, dem etwas entgegen zu setzen, werden durch die grosse Menge der Übergriffe im Verhältnis zu dem, was wir verhandeln können, immer schwächer.

Emhart Building, CT, USA 1963-2004
Bunshaft House, NY, USA 1963-2004

Gordon Bunshaft, Natalie De Bois / SOM (Foto: Ezra Stoller)

Dieses historische Gebäude in einem Buch zu entdecken bereitet Freude. Diese, 1964 durch den AIA prämierte Ikone, wurde 2005 tatsächlich für einen Golfplatz abgebrochen.

Bunshaft Villa, East Hampton, NY, USA

Die Bunshafts haben ihr Privathaus 1994 mitsamt den darin befindlichen Werken von Picasso, Le Corbusier und Henry Moore dem MoMA vermacht. Das MoMA hat das Haus dann für ca. 3 Mio. $ verkauft, daraufhin hat eine liederliche Renovation stattgefunden und es wurde erneut verkauft, diesmal für 9.5 Mio. $ und schliesslich wurde es 2004 abgerissen. Dazu ein Artikel

Work Life Balance?

Der Entschleunigungsapostel Hartmut Rosa bedauert öffentlich, dass das Konzept unserer gegenwärtigen Wirt- und Gesellschaft nur funktioniert, wenn alles wächst, beschleunigt und sich konkurriert.

Im Körper sterben Zellen ab und neue Wachsen nach. Wunden verheilen. Zerfall ist, wenn das Absterben das Nachwachsen überholt. Wir wachsen gegen den Zerfall und werden immer langsamer dabei. Dagegen gibt es erprobte Strategien, z.B. Jugendlichkeit mit Eleganz wettmachen. Nicht jeden Quatsch wieder durchleben zu müssen, weil aus den Misserfolgen gelernt zu haben. Übersicht haben. Mündiger werden. Sich neue Themen erschliessen; Diese Strategien sind auch eine Form von Wachstum über unseren Körper hinaus, die helfen, Ähnliches in weniger Schritten zu vollziehen, zu beschleunigen. Im Umkehrschluss ist Entschleunigung deshalb wider die Natur. Lernen, Strategien entwickeln, in Konkurrenz sein: das ist für uns natürlich, wir brauchen uns nicht dagegen zu stemmen, es geschicht von selbst. Aber wir können uns vom kollektiven Klagen über Beschleunigung emanzipieren, in dem wir uns davon abwenden.

Wurde man früher aus emotionaler Überwältigung ohnmächtig oder hysterisch, hat man heute salonfähige Burnouts. Burnouts werden erst wahr, weil viele klagen, indem sie Sinnlosigkeit, fehlende Resonanz mit Lethargie als Folge, gemeinsam feststellen.

Zweihundert Jahre früher war der Alltag zu oft existenzbedrohend. Es gab Missernten, Kindersterblichkeit, geringe Überlebenschancen bei heute banalen Krankheiten, Knechtschaft, Willkür, Rechtsunsicherheit, fehlende Hygiene etc.. Würden wir tauschen wollen mit der alten Welt, wenn wir sie als Ganzes annehmen müssten und nicht nur die Idylle unverbauter Landschaft?

Fast täglich fällt aus der Zeitung eine eingeklemmte Beilage von Digitec, Interdiscount, Mediamarkt. Die Huxleyschen Spielzeuge als Früchte unserer Ernte sind riesige, unglaublich günstige Flachbildschirme aus China, Mode hergestellt in Bangladesh und das Leasen von zu riesigen Autos. Wenn das nicht mehr passt, setzen wir Zeichen mit Fair Trade von Max Havelaar und machen Yoga, lernern atmen oder schweigen, oder wir wurden kürzlich aus energetischen Gründen Vegetarier. Es ist halt schwierig, wenn man Beschleunigung kritisiert ohne seinen Konsum auf seinen Bedarf (nicht Bedürfnisse) zu beschränken.

Also gibt es Seminare, an denen ein Guru rät: „be incentive!“, ideal für eine zahlkräftige Kundschaft, die fast vollumfänglich und umstandshalber mit der proaktiven präventiven Verhinderung von Burnouts beschäftigt ist (sprich mit der eigenen Befindlichkeit). Solche Seminare werden von Grosskonzernen kompensatorisch und vielleicht auch um die Mitarbeiter ein wenig kontrollieren und vor sich selbst bewahren zu können, bestellt.

Die Mitarbeiter sollen aber sich nicht unbedingt selbst finden müssen, sie sollen Ihre Arbeit möglichst gut machen und aus den Erfolgen darin Resonanz haben, Lust daran bekommen, gerne Arbeiten. Das können sie aber aus meiner Sicht nur, wenn sie wieder ein klein wenig belastbarer werden, ein klein wenig von ihrem Befindlichkeitstrip runterkommen. Der Grosskonzern soll in seinem System (=Arbeit) Resonanz schaffen können. Alles Andere ist unglaubwürdig.

Wenn die Umwelt nicht erträglich scheint, soll man nicht versuchen, Sinn NICHT zu sehen, sondern seine Belastbarkeit pflegen. Humor dient zum Beispiel der Schaffung von Belastbarkeit. Das fehlt mir bei Hartmut Rosa. Humor als Konzept. Humor ist wichtig um Prioritäten setzen zu können. Wenn man sich von seiner Befindlichkeit beherrschen lässt, hat man bereits verloren, man hat seinem Wachstum entsagt. Aber da kann man ja auch wieder rauskommen, z.B. durch Humor.

Gehen wir also Yoga machen, nicht um der Entschleunigung willen, sondern um der Sache willen. Ordnen wir unser Handeln nicht Befindlichkeits-Zielen (Entschleunigung! Erleuchtung!) unter, die kommen von selbst in Form von Resonanz. Und dann kommt's gut, ich gehe jetzt nämlich kochen.

Stellarator

Man schreibe die zwanzig grössten Zukunftsprobleme auf einen Zettel. Sachen wie Nahrungsmangel, Trinkwassermangel, Energiemangel, Klimawandel, Verarmung, Kriege um Ressourcen und so weiter. Dann sucht man sich zu jedem dieser Probleme ein anderes auf der Liste, mit dessen Behebung man ersteres lösen könnte. Beispielsweise das Trinkwasserproblem, das man mit dem Energieproblem gelöst hätte (durch Meerwasserentsalzung). Spätestens in der dritten Iteration der Problemreduzierung ist man an dem Punkt, wo nur noch das Energieproblem übrig bleibt.

Alle Optionen, das Energieproblem zu lösen, müssen ergebnisoffen, ohne ideologische Vorbehalte und ohne Scheu vor grossen Ausgaben erforscht werden.

Plasma-Geometrie im Fusionsreaktor Stellarator Wendelstein 7X